Kölner Kammerorchester

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Date: 09.10.2017

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Zwischen Gewitter und Sonnenaufgang

Christoph Poppen mit Haydns "Jahreszeiten" und großem Überblick

In seinem Oratorium "Die Jahreszeiten" setzte Joseph Haydn 1801 da an, wo "Die Schöpfung" drei Jahre zuvor geendet hatte: Der Mensch, aus dem Paradies vertrieben, hat sich in der Welt eingerichtet und wird nun im Jahreslauf des bäuerlichen Lebens betrachtet. Mit den naturmystischen Schauern der "Schöpfung" können es die "Jahreszeiten" indes nicht aufnehmen; auch wird die plastische Anschaulichkeit des Textes allzu oft von muffigem Moralin versäuert ("außen blank und innen rein/ muss des Mädchens Busen sein").

Trotzdem gibt es auch hier weiträumige, großartig disponierte Ensemblesätze, die Christoph Poppen in der Philharmonie mit magistralem Überblick steuerte. Besonders Sonnenaufgang und Gewitter entfalteten sich im Zusammenspiel von Solisten, Chor und Orchester zu Tableaus von höchst eindringlicher Wirkung.
Hier gab auch das von Eberhard Metternich gewohnt präzise einstudierte Vokalensemble Kölner Dom sein Bestes: Es zeigte in der Deklamation klare Kante und formte einen kompakten, gut gebündelten Klang, der trotz schlanker Besetzung den Raum mühelos füllte.

Weniger inspiriert wirkte die gut 40-köpfige Sängerschar in den etwas biederen Genreszenen der Herbst- und Winterbilder. Dennoch gab es auch hier keine Abstriche in der chorischen Qualität, während das Spielniveau des Kölner Kammerorchesters an diesem Abend doch vernehmlich schwankte. Es gab vor allem in den Orchester-Einleitungen berückend schöne Momente von hoher Imaginationskraft, aber auch - besonders bei den Streichern - viele verwaschene Einsätze und strohige Passagen.

Im geschmeidig kooperierenden Solistenteam setzte die Sopranistin Chen Reiss mit Gewinn auf eine schöne, weich fließende Vokallinie. Martin Mitterrutzner (Tenor) und Michael Nagy (Bariton) ließen eher die ambitionierte Schattierungskunst der erfahrenen Liederinterpreten einfließen; besonders der Bariton prunkte dabei sehr großzügig mit wortdeutender Raffinesse.

(Stefan Rütter, Kölner Stadt-Anzeiger, 9. Oktober 2017)