Kölner Kammerorchester

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Date: 05.06.2018

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Großartige Geigerin für Beethoven

Klassik 1 Das Kölner Kammerorchester spielt unter Christoph Poppen

Nachdem es eine Zeit lang mal besser ausgesehen hatte, scheint sich die Sache jetzt rückwärts zu entwickeln: Die großen Kölner Traditionsorchester ziehen sich aus der Wiener Klassik – und hier zumal von Haydn und Mozart – wieder ins 19. und 20. Jahrhundert zurück. Kommt sie etwa (von der „Eroica“ abgesehen) in der Agenda des Gürzenich-Orchesters für die Spielzeit 2018/19 vor? Und das WDR Sinfonieorchester verdrängt, nachdem soeben Beethoven groß herausgekommen ist, die Epoche wie gehabt in seine „Klassik heute“-Konzerte.

Da muss man wohl dankbar dafür sein, dass eine Formation wie das Kölner Kammerorchester die Lücke mehr als anständig füllt – wie beim letzten Saisonkonzert der „Meisterwerk“-Reihe unter Christoph Poppen in der Philharmonie. Wann öffnete sich sonst schon mal eine von Einfällen, Scherzen und genialer Erfindungskunst überlaufende Wundertüte wie Haydns 102. Sinfonie? Und schwer zu spielen ist diese auf Anhieb so herzlich-bekömmliche Musik allemal. Das merkt man immer dann, wenn sich im Zusammenwirken trotz spürbar eisernen Willens zur Konzentration kleine Unebenheiten und Disparitäten ergeben. Im Wesentlichen aber ließen Poppen und die Seinen den Geist dieser späten Haydn-Kunst sehr ansprechend lebendig werden – etwa das witzig-faszinierende Spiel mit den Auftakt-Sechzehnteln im letzten Satz. Hätte einigen Durchführungspartien noch mehr Feuer und Biss gut getan – in Sachen Klangmischung und -kontrast, Formdramaturgie und dynamische Gegensätze gelang hier eine kompetente Darstellung.

Disziplinierte Stilbildung aus der Klassik

Star des Abends, der mit einer sehr poetischen Interpretation von Mendelssohns „Melusinen“-Ouvertüre begonnen hatte, war indes die deutsch-koreanische Geigerin Clara-Jumi Kang, eine Schülerin Poppens an der Münchner Musikhochschule. Der Schreiber dieser Zeilen bekennt, schon lange nicht mehr eine derart souverän-ausgereifte, exzellent ausbalancierte, intensiv-klangschöne und dabei sorgfältig-„ehrliche“ Interpretation dieses alten Schlachtrosses im Konzertsaal gehört zu haben. Die mit kristallin-vibratoarmem Ton aufwartende Künstlerin mag auf Anhieb kühl und distanziert wirken, aber dieser Eindruck verflüchtigt sich, weil ihm – auch in den Kadenzen von Joseph Joachim – der einer disziplinierten Stilbildung aus dem Geist der Klassik machtvoll entgegentritt.
Und wer angesichts der introvertierten Haltung der Solistin um die Koordination mit dem Orchester gefürchtet hatte, sah sich auch diesbezüglich eines Besseren belehrt: Schlafwandlerisch sicher und genau geriet zumal die kammermusikalische Interaktion mit den Bläsersolisten, darunter den diesmal exponierten Fagotten. So sei der Wunsch geäußert, dass Clara-Jumi Kang möglichst bald nach Köln zurückkehren möge.

(Markus Schwering, Kölner Stadt-Anzeiger vom 5. Juni 2018)