Kölner Kammerorchester

News

Date: 24.11.2015

» Back

STEVEN ISSERLIS

Haydn mit seligem Blick in die Ferne

Was hat Haydn mit Mendelssohn zu tun? Eine ganze Menge, wie jetzt das philharmonische Konzert des Kölner Kammerorchesters unter Christoph Poppen zeigte. Die erste Sinfonie des Jüngeren etwa - er wurde in dem Jahr geboren, da der Ältere starb - ist kein romantisches, sondern ein spätklassisches Werk. Es mag auch leicht epigonale Züge haben - bis hin zu der "erlösenden", hier aber etwas aufgesetzt wirkenden C-Dur-Coda des Finales, dessen Hauptthema wiederum frappant an Mozarts große g-Moll-Sinfonie KV 550 erinnert.

Sie werden indes durch ein bemerkenswert explosives Temperament und hohen melodischen Reiz ausgeglichen. Die an diesem Sonntagmorgen gut aufgelegte Formation zeigte das Stück jedenfalls von seiner besten Seite: mit geschärfter paukengrundierter Brillanz und brodelndem Untergrund in den Rahmensätzen, mit warmem lyrischem Sound und ausdrucksintensiv gespannten Auftakten im Andante.

Dass das zwischenzeitig gefährdete Ensemble mit seinem "Principal Conductor" Poppen auf einem guten Weg ist, zeigten auch die beiden ersten Programmteile, Haydns Oxford-Sinfonie und sein frühes C-Cur-Cello-Konzert (das jüngst noch Gautier Capuçon im Gürzenich-Benefizkonzert gespielt hatte). Die Sinfonie zeigte, wie man den Klassiker auch ohne überhitzte Tempi und ausgeklügelte Effekte, sondern ganz aus seinem quasi-natürlichen Fluss, seinem filigranen Kontrapunkt und instrumentalen Humor heraus interessant machen kann. Immer wieder aufs Schönste geriet die Interaktion von Streichern und Bläsern.

Es folgte das Konzert mit dem Briten Steven Isserlis als Solisten, in der Anmutung auch dank seiner lockenreichen Haarpracht ein jüngerer Simon Rattle. Den Blick selig in eine imaginäre Ferne gerichtet, interpretierte er das Werk beredt, witzig, mit zahlreichen expressiven Nuancen und gab auch dort, wo sie fällig war, der lyrischen Melancholie Stimme. Im rasanten Schlusssatz machte er sogar seinen durchaus nicht bräsigen Begleitern noch Beine. Für enthusiastischen Beifall dankte er mit Pablo Casals' Solo "Gesang der Vögel".

(Markus Schwering, Kölner Stadt-Anzeiger, 24. November 2015)