Kölner Kammerorchester

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Date: 19.02.2019

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Weltendrama in zwei Sätzen

Das Kölner Kammerorchester

Orchesterlieder von Franz Schubert? Gibt es. Freundliche Kollegen haben einige Originale posthum üppig instrumentiert, um Schubert aus dem biedermeierlichen Wohnzimmer in den modernen Konzertsaal zu bringen. Kurios wirkt das heute und bei Brahms und Webern auch etwas ungelenk und didaktisch. Jetzt kommt das Motiv nach Moll gewendet noch mal in der Oboe - oha!

Ätherische Klänge

Der "Erlkönig" bei Berlioz dagegen: ein fiebriges, atemloses Drama. Und Max Reger entrückt "Nacht und Träume" mit ätherischen Klängen in ferne Welten. Das ist dann schon sehr nahe an den neuen Standards, die Gustav Mahler Ende des neunzehnten Jahrhunderts setzt mit seinen "Lieder eines fahrenden Gesellen". Und im direkten Nebeneinander eine Geschichtsstunde, der man in der Philharmonie mit offenen Ohren folgt.

Zumal Christoph Prégardien diese Stunde gibt. Im tosenden Orchestersturm von Berlioz verlieren Dirigent Christoph Poppen und das Kölner Kammerorchester den Tenor einmal kurz vom Schirm, sonst aber hängen sie ihm, wie die Hörer, an den Lippen. Prégardien bietet Poesie, wo andere auf Volumen setzen.
Nicht kalt, sondern klar, elegant, doch nicht gespreizt. Prégardien lässt Platz, um beim Hören auch noch zu denken.

Erwartungen unterlaufen

Qualitäten, die Christoph Poppen und das Kölner Kammerorchester ebenfalls für sich reklamieren an diesem Abend. Details werden penibel moduliert, kompositorischen Extravaganzen gilt höchste Wachsamkeit: im hakenschlagenden Trio von Haydns "Lamentatione" etwa. das sich einen Spaß daraus macht, immer wieder Erwartungen zu unterlaufen. Da mischt sich unter die Tragik eine gute Portion Trotz und Heiterkeit.
Schuberts "Unvollendete" schließlich, zerrissen, kämpferisch, kompakt, in den stillen Momenten auch utopisch - ein Weltendrama in zwei Sätzen. Langer Beifall

(Raoul Möhrchen in der Kölnischen Rundschau vom 19. Februar 2019)